Sooft wie am Sonntag haben wir uns noch nie über die Definition von „Weg“ unterhalten (müssen). Da findet man vermeintlich schöne Touren, lädt diese auf Garmin und folgt dann einfach, mehr oder weniger blind, dem Navigationspfeil. Wir parkten in Königstein und fuhren von dort los – ich hatte es sogar geschafft Mojo in meinen Beetle zu stecken, was ich nicht wirklich gedacht hätte. Am Tag vorher hatte ich das getestet und Mojo bei der Gelegenheit gleich eine Grundreinigung verpasst, bevor der Dreck irgendwann von selbst abgefallen wäre.
Der erste Anstieg ließ nicht lange auf sich warten. Meine Beine fühlten sich ganz gut an, aber mein Puls kam diesmal gar nicht hinterher. Ich war schon ein bisschen schockiert, dass ich gleich mit 170 Schlägen starten musste. Bald im Wald – und das erste Hindernis in Form eines Baumes der schräg quer über dem Weg lag, zwang kurz von den Pedalen. Und ich kam danach nicht wieder hoch. Es war wie im Alptraum. Ich schaffte einfach nicht mich schwungvoll wieder abzustoßen. Meine Hüfte wirkte wie ein Gegenspieler zu allen Versuchen die ich unternahm. Und man stelle sich vor: es war ein glatter Weg. Und es war erst der Anfang. Irgendwann kam ich dann tatsächlich wieder hoch.
Die Wege blieben erst noch Wege, dann kamen die ersten Trails. Wurzelig, steil. Enge zugewachsene Pfade, Stöckchen, Steinchen. Eben der ganz normale Wahnsinn. Alles ok. Nur meine Konzentration ließ zu wünschen übrig. Atmen hatte ich auch verlernt. Bein und Hüfte hatten vergessen was sie zu tun hatten. Ich spürte das Limit schon näher kommen. Mir war kalt und warm gleichzeitig. Also entschied ich mich wenig später für die kühlere Variante: Pulli aus und im Shirt weiter. Es ging dann natürlich direkt bergab und ich war dankbar für jeden Sonnenstrahl der manchmal durch die Bäume blitzte.
Alles in allem war ich schräg drauf. Ein seltsames nicht-Gefühl machte sich in mir breit und alles fühlte sich unecht an. Teilweise kamen wieder kleine Flashbacks des Unfalls durch, obwohl lange keine Situation auftauchte die vergleichbar gewesen wäre. Vielleicht lag es auch am Shirt, aber dieser Punkt fiel mir erst später ein. Denn genau das hatte ich getragen als ich stürzte. Manchmal passiert unterbewusst eben mehr als man glaubt. Ich hatte Angst vor diesem Schleier der da über mir lag, denn das machte es gefährlich. Am Berg hatte ich oft das Gefühl dass ich einfach nicht mehr konnte – oder nicht mehr wollte? Ich fühlte mich gelähmt. Gleichzeitig frustriert und nicht minder labil. Eigentlich war ich total motiviert. Der Tag war gut, ich war erholt, das Wetter war toll.
Dann immer wieder Schiebe-Passagen. Über Baumstämme, Wurzeln, Steine. Teilweise so steil hoch, dass meine Waden total dicht machten (zusätzlich zu Hüfte und Oberschenkel versteht sich). Beinahe bei jedem Anstieg rutschte ich zum Ende hin blöd auf einem Stein weg und musste schieben. Was sich mental nicht gerade positiv auswirkte. Normalerweise schimpfe ich dann innerlich mit mir selbst und beiße mich fest und durch. An dem Tag war ich ein Waschlappen. Ich fand auch mein Tempo nicht. Das ständige Anhalten machte mich mürbe. Sonst stecke ich das alles weg. Ich bin keine die vorschnell aufgibt oder das Jammern anfängt. Aber es gab trotz diesem inneren Willen immer wieder das starke Bedürfnis sich heulend auf den Boden zu werfen. Vielleicht hätte ich das einfach mal tun sollen?
Irgendwann kamen dann Wege die keine mehr waren, definitiv keine. Garmin zeigte stur weiter die Route an und wir taten in völliger Versklavung alles um dem gerecht zu werden. Ein paar Spaziergänger fragten uns wo wir denn hinwollten, als sie uns da so im Dickicht stehen sahen. Definitiv hoch! Das Spiel war immer gleich: irgendwo lang, angehalten, Garmin befragt, uns selbst befragt, wieder zurück, anderer Weg. Spätestens dann als ich mich auf einem tropisch anmutenden Trail befand, der aus kleinen Sümpfen und nichts als Matsch bestand, kam ich in einen inneren Zustand des kreischenden Wahnsinns. Zumindest übernimmt dann ab solchen Punkten der Humor wieder die Oberhand.
Was sollte da auch schon knöcheltiefer Matsch etwas ausrichten können? Na eben – nichts. Ich nahm alles einfach wie es kam. Wie sollte es auch anders sein. Wenn Berg dann Berg. Wenn Mojo getragen werden wollte, dann bitteschön. Wenn es einen Hang gab den wir noch nicht runtergeklettert sind, dann bitte auch diesen und den nächsten! Brennesseln? Super Sache! Dornen? Hüfthohes Zeckengras? Auch okay 😀
So viele mitfühlende Personen in einem Wald waren mir bis dato noch nicht untergekommen. Sie alle wollten uns wieder auf den rechten Weg bringen. Doch wo genau wir eigentlich hin wollten, das wussten wir ja selbst nicht so genau. Lost im Taunus. Man sollte meinen die heimischen Gefilde wären die harmlosesten. Dem war aber nicht so. Wenn es dann mal wieder zum Fahren kam, wurde beinahe jeder Anstieg am Ende so steil, dass man öfter von den Pedalen musste. Wadenkrampf die Zweite.
Nach fast zwei Stunden war mein Kopf wieder klarer und alles fühlte sich weniger schwammig an. Sicherer. Einfach besser. Dann kam der Hang. Und der wurde mir wortwörtlich zum Ver-häng-nis. Blöd, wenn man nicht weiß wie man zu Fuß da runter klettern soll. Noch blöder, wenn man ein MTB im Schlepptau hat. Es war kein kleiner Hang. Es war der ewige Hang. Meine Taktik belief sich darauf, Mojo immer unterhalb von mir quer zu stellen, denn er hat bekanntlich mehr Grip und Standfestigkeit als meine Wenigkeit. Laub und Nussschalen taten ihr übriges. Ab ungefähr der Mitte des „Weges“ konnte ich endlich den ersten Baum umarmen. Das letzte Drittel musste Mojo wieder gerettet werden und ich konnte alleine in der Hocke auf einer Nussschale nach unten surfen. Teilweise hielt ich inne und alles was mir in den Sinn kam war: verdammt!
Unten erwartete mich dann eine Barriere aus Dornen und Brennnesseln, ehe wir über einen Wiesen-Trampelpfad endlich wieder richtig weiter fahren konnten. Auftretende Mückenschwärme lieferten die entscheidende Proteinzufuhr ehe wir endlich auf einer Wiese zum Halten kamen und eine kurze Pause einlegten. Zivilisation war gleich Null und wieder hatte man das Gefühl ganz woanders zu sein, nur nicht im Taunus.
Ein Stück runter, ein Reh verschreckt und am Ende der Wiese sollte es nach links gehen. Auf einen „Weg“. Betonung liegt auf „Ende der Wiese“. Ein „Weg“ war da nicht. Also erneut der Kampf mit dem Unterholz. Dieser ging unentschieden aus.
So mogelten wir uns also durch den Wald, nahmen auch noch die letzten Anstiege mit und ein paar Büsche und Kratzer später waren wir wieder am Auto. Knapp 45km und ebenfalls knappe 1300HM – was jetzt eigentlich nicht so die Welt ist, wenn man nicht noch anderweitig gefordert wird. Ich war zwar nicht so fertig wie sonst, aber es war definitiv ausreichend.
Dafür habe ich dann gestern einen 10k Dauerlauf abgespult, leider an der Schmerzgrenze. Tempoläufe gehen gar nicht mehr. Von Intervallen brauche ich nicht reden. Selbst auf der Hantelbank konnte ich den Schmerz spüren und das ist echt nicht gut. Ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Es ist anders schlimm als noch vor 4 Wochen. Der Schmerz verteilt sich nun im Oberschenkel und zieht bis auf die Innenseite des Knies.
Um das auszublenden, habe ich den Trainer meines Vertrauens damit beauftragt mir ein paar fiese Bauchübungen aufzuerlegen. Ob das heute sein müsste? 😀 Na klar, ansonsten hätte ich mit Sicherheit noch die Kraft ihm in den Hintern zu treten. Irgendwas habe ich da falsch gemacht, wenn ich schon um Quälerei betteln muss.
Qual die I. = Füße in schwere Hanteln einklemmen, um die Beine unten zu halten. Unterkörper mit dem Rücken auf einem halben Gymnastikball balancieren, mit den Armen über den Kopf greifen und 15-20kg am Latzug mitziehen, bis man mit dem Oberkörper fast wieder in Sitzposition angekommen ist.
Qual die II. = in die Liegestütze gehen und Unterschenkel auf einem Gymnastikball ablegen, dann die Knie bis zur Brust anziehen, bis die Fußspitzen den Ball fast wegdrücken.
Qual die III. = Plank auf dem Gymnastikball – Ellbogen auf dem Ball abstützen, dabei leicht vor und zurück gehen.
Qual die IV. = Seitstütz – Arm auf der Matte, Füße auf dem halben Gymnastikball und eine Linie bilden – halten oder zusätzlich noch mit dem Arm unter dem Körper durchgreifen. Linke wie rechte Seite.
Letzteres schaffe ich derzeit nicht, meine Hüfte ist sowas von instabil, dass ich nur zitternd in dieser Position verharren kann… Und schief bin ich wohl auch wieder Naja der Osteopath wird es wohl am 27.5. wieder richten…
— Jamie
Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und … *sing*
Du bist doch verrückt 😉
Alles, nur das Lied ist mir dabei nicht in den Kopf gekommen.. 😀 Manchmal weiß man halt nicht was einen erwartet und wenn man sich für die Nacht kein Loch zum Schlafen ausheben möchte, muss man halt durch..
Ach und komm schon, wir sind doch alle irgendwie irgendwo verrückt – davon nimmst du dich hoffentlich nicht aus 😉
Ich und verrückt? Wie kommst du da drauf? Hast n Beispiel?
😀
Diese Frage zum Beispiel? 😀
😛