In Teil 2 habe ich euch geschildert wie es dazu kam, dass Mori nicht mehr aufzufinden war. Mir blutete das Herz und plötzlich war mir mehr als bewusst wie sehr ich dieses kleine Hundchen eigentlich lieb gewonnen hatte. Sie war nun schon über zwei Tage verschwunden und ich befand mich in einer Art Schockzustand auf Autopilot.
Darüber zu schreiben fällt mir nicht leicht, da mich allein die Vorstellung wieder lähmt und ich gleichzeitig so ungeheuer hart mit mir ins Gericht gegangen bin und noch gehe. Mein einziger Strohhalm blieb der stetige Kontakt über die eigens eingerichtete WhatsApp Gruppe von Ramona und weiteren Ehrenamtlichen, sowie die Tatsache, dass ich mich um die Wildkameras und Futterstellen kümmern musste.
Das nahm durchaus einen vollen Tag in Anspruch und in der brütenden Sommerhitze wurde ich ordentlich durchgekocht. Ich lief jeweils mit Laptop, Futter und einer Wasserflasche einen Kilometer von der Tankstelle zur ersten Wildkamera, entsperrte das Zahlenschloss, friemelte die SD Karte heraus, tauschte die Akkus und las die Bilder an Ort und Stelle mit klopfenden Herzen aus. Das ganze wiederholte ich fünf Mal, bis ich alle Orte abgeklappert hatte. Ich war durchgegart und klatschnass geschwitzt.
Und doch hatten sich meine Mühen nicht gelohnt: Die Kamera hatte Tiere aller Arten (hungrige Füchse, Marder, Vögel, Hasen und ein Hund, der sich an Spaghetti mit Fleischbällchen gütlich getan hatte) aufgezeichnet, doch Mori war nicht dabei.
Ich gab die Hoffnung nicht auf sie irgendwo bei Rosbach zu finden. Ich streifte durch die Wälder, ließ mich von den Mücken auffressen, rief immer wieder nach ihr und befragte jeden Spaziergänger den ich traf.
Am meisten Bauchschmerzen machte mir die Tatsache, dass zwischen Rosbach und Köppern die A5 liegt, die sie auf jeden Fall überqueren musste, um zu meiner Wohnung zu gelangen. Bis zu meinem Dorf waren es von Rosbach noch gute 8 Kilometer. Ich vermutete sie also noch dort und hatte im Gefühl, dass sie irgendwo im Wald nach Rosbach feststeckte, da ich genau wusste wie groß ihre Angst vor Fahrzeugen aller Art ist, um die sie lieber einen großen Bogen macht.
Also war das naheliegenste für mich am Rand von Rosbach zu parken und zu Fuß die Fußgängerüberführung zu queren. So hoffte ich darauf ihr eine Spur mit meinem Geruch zu legen und ihr den Weg zu weisen. Ich lief weitere 12 Kilometer durch den angrenzenden Wald, immer darauf bedacht gerade Linien zu laufen, um sie nicht im Kreis oder in eine Sackgasse zu führen.
Die gleichen Prozedere wiederholte ich auch am dritten und vierten Tag ihres Verschwindens und bedachte dabei auch die Unterführung der A5. In mir keimte immerhin noch die klitzekleine Hoffnung, dass sie auf der Suche nach ihrem Zuhause war. Zudem vermutete ich sie auf den Trails in Rosbach, da wir immerhin einmal einen Marathon von der Haustür über Rosbach und wieder zurück mit ihr gelaufen waren.
Die Futterstellen betreute ich nur noch aus Vernunft. Zwei davon baute ich wieder ab, da mein Bauchgefühl mir sagte, dass sie weiter gezogen war. Dies bestätigte sich dann auch am späten Nachmittag, als ich plötzlich eine Nachricht eines Mitglieds der Taunus MTB Gruppe via Facebook bekam: Mori wurde gesehen und zwar in unmittelbarer Nähe zu Über- und Unterführung der A5, im Rosbacher Wald. Sie befand sich zu dem Zeitpunkt auf Waldwegen, sah den MTB-Fahrer in 30 Metern Entfernung und rannte einen anderen Wegesabschnitt entlang.
Mir war mehr als klar, dass sie sich von niemanden außer mir anfassen lassen würde. Mich erreichte die Nachricht, als ich fix und fertig Nachmittags für 20 Minuten im Bett lag und es endlich geschafft hatte, etwas Schlaf zu finden. Leider war diese Sichtung über 2 Stunden alt, sodass ich sie wieder verpasst hatte. In dem Moment war jedoch alles was zählte, dass sie noch lebte. Dieser Lichtblick veranlasste mich kurze Zeit später, noch einmal loszuziehen und eine der Wildkameras in der Nähe ihrer Sichtung zu installieren.

Glücklicherweise begleitete mich Marisa. Wir wurschtelten uns drei Stunden durch die Trails (es ist wirklich wahnsinnig schön dort, nur das Timing war schlecht) und platzierten die Kamera und etwas Futter. Erst als es stockdunkel war, befanden wir uns wieder auf dem Rückweg zum Auto.

Wir liefen ein letztes Mal über die Fußgängerbrücke der A5 und ich versuchte den Mut nicht zu verlieren. Jeder neue Anbruch der Nacht ließ mich an Mori denken – ob sie sich irgendwo verkroch? Ob sie Angst hatte? Es zerriss mir das Herz. So verzweifelt ich auch war, mein Kopf funktionierte noch, ich war bisher nicht durchgedreht und mein Humor war auch noch nicht ganz verloren.
Es wurde noch ein langer Abend. Nach 22 Uhr erreichte mich plötzlich eine weitergeleitete Sprachnachricht von Ramona. Sie hatte ohne mein Wissen Kontakt zu jemanden, welche eine so genannte „Tierkommunikation“ betreibt. Für mich ist so ein telepathischer Ansatz eigentlich nichts woran ich je geglaubt habe. Doch man muss auch nicht immer alles erklären können, vor allem dann nicht, wenn es aus irgendeinem unerfindlichen Grund doch funktioniert.
Marisa und ich starrten also auf mein Handy und lauschten ungläubig der Nachricht. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter, denn diese Frau (die ich nicht kannte und die nichts über meinen Wohnort wusste) beschrieb detailliert als eine Art „Prophezeiung“, wo Mori als nächstes entlanglaufen würde. Und das war ohne Zweifel die Beschreibung meiner Straße, eines jeden Baums, die derzeitigen Lichtverhältnisse, Laternen, Kreuzungen und und und. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Wir liefen hinaus auf die Straße und ich spielte die Nachricht erneut ab, um die Gegebenheiten eins zu eins abzugleichen. Auch Marisa hatte die Sprache verloren. Es war regelrecht gruselig, als wir im Schein der Laternen meine Straße abliefen und zeitgleich der Nachricht lauschten.
Als wir wieder in die Wohnung zurückkehrten, bekam ich um halb 11 noch einmal eine weitergeleitete Nachricht: „Sie ist auf dem Weg nach Hause“.
Um kurz nach 23 Uhr fuhr Marisa heim und ich fiel direkt in den Schlaf. Gegen zwei Uhr nachts wurde ich wieder wach. Mir war als hätte ich etwas gehört und es klang mehr als vertraut. Das Geräusch ähnelte dem Klirren von Mori’s Halsband. Mein Fenster war geöffnet, der Rolladen heruntergelassen. In meinem halben Schlaf-Wachzustand, war ich mir ziemlich sicher zu halluzinieren. Zudem war ich so ausgeknockt, dass ich direkt wieder wegdämmerte.
Es mussten nur ein paar Minuten vergangen sein, da hörte ich schon wieder dieses Schütteln. Ich sprang aus dem Bett und versuchte durch die schmalen Schlitze des Holzrolladens zu gucken, doch ich konnte nichts erkennen. Mit klopfendem Herzen lief ich ins Wohnzimmer und schaute von dort nach unten zum Bereich des Vordereingangs, doch es war finster und ich konnte nicht richtig sehen. Ich öffnete das Fenster und rief ganze leise ihren Namen.
Als Antwort kam ein leises Fiepen. Ich konnte es nicht fassen. Mein ganzer Körper fing an zu zittern, als ich zur Tür eilte und versuchte auf dem Weg nach unten nicht die Treppen herunterzufallen. Gleichzeitig hatte ich immer die warnende Stimme des Hundefängers im Kopf: „Sie wird weglaufen, wenn sie dich sieht, denn sie ist wieder in ihrem Straßenhund-Modus.“
Also versuchte ich so ruhig zu bleiben, wie es in der Situation überhaupt möglich war. Unten an der Haustür angekommen, öffnete ich diese und hakte diese ein, während ich gleichzeitig meinen Hals verrenkte, um zu sehen was ich nicht glauben konnte.
Sie stand auf dem Grundstück, am Rand des Zauns an einer Pflanze auf den aufgeschütteten Kieselsteinen. Ich ging barfuß hinaus, während sich in mir ein Schluchzen aufbäumte und mir fast die Luft abschnürte. Ich machte zwei langsame Schritte auf sie zu, sprach sie leise mit zittriger Stimme an und rutschte schlussendlich auf Knien über die Steine an sie heran. Als sie mich sah, legte sie sich plötzlich auf den Rücken und wedelte mit dem Schwanz, genau so wie sie es sonst immer getan hatte, wenn sie gestreichelt werden wollte.
Mir liefen die Tränen über das Gesicht, als ich sie berührte. Dann nahm ich sie hoch, drückte sie fest an mich und lief schwankend und zitternd mit ihr zurück ins Haus. Als die Haustür hinter mir ins Schloss fiel, war mein erster Gedanke nur einer: Sie ist in Sicherheit.

In der Wohnung setzte ich sie in ihr Körbchen ab und heulte erstmal hemmungslos, streichelte sie, hielt ihre Pfote in meiner Hand und sagte immer wieder die gleichen Dinge. Alles fiel von mir ab, körperlich kam es einem Zusammenbruch gleich.
Mori stank bestialisch nach Fuchsscheiße und auch meine Klamotten und meine Haut hatten diesen mehr als strengen Geruch angenommen. Doch das war erstmal komplett egal. Ich bot ihr Futter und Wasser an und bemerkte dabei, dass ihr Fell im Genick völlig zerzaust war. Ich wusste nicht, was sie in den knapp 5 Tagen durchgemacht hatte, noch wo sie genau gewesen war oder geschlafen hatte.
Es bestätigte mir nur eins: Dieser Hund war nicht von dieser Welt. Sie hatte mich in ihr kleines bzw. großes Herz geschlossen und mir mehr als bewiesen, dass sie bei mir bleiben wollte. Wie hatte ich nur so zweifeln können?
Zudem lagen die „Experten“ in ihrem Fall komplett daneben. Mori hatte einfach allen gezeigt, dass sie kein 0815 Fall war, den man berechnen konnte. Sie war noch nie an Futter interessiert, wenn es nicht in der vertrauten Umgebung angeboten wurde und demzufolge war sie auch nicht in irgendeinem „Straßenhund-Modus“ angekommen. Anstatt dass sie wie prophezeit nur nachts unterwegs sein würde, war sie tagsüber auf den Wegen gesichtet worden und nicht im Unterholz. Und letzten Endes war sie zu MIR zurück gekommen, ganz freiwillig, über die A5 und hatte somit ihren größten Ängsten getrotzt.
Stolz, Ungläubigkeit, Demut und vor allem tiefe Dankbarkeit waren genau das was ich fühlte. Ich saß bis zum Morgengrauen neben ihr auf der Couch und starrte sie einfach nur an. Da liegt mein Hund, der über Tage zu mir zurück gekommen ist. Der mich über alles liebt und einfach alles tut, damit wir zusammen sein können. Ja, das hat tief gesessen.

Ich habe Menschen, die das Wort „Seelenhund“ für ihr Tier gebrauchten ein wenig belächelt, das gebe ich zu. Nun weiß ich aber ganz genau was gemeint ist, denn diese Erfahrung und unglaubliche Bindung zwischen Mori und mir ist etwas ganz besonderes und übertrifft bei weitem jegliche Verbundenheit die ich mit den Tieren in meiner Vergangenheit hatte.
Es war das schlimmste und gleichzeitig schönste Erlebnis.
Ich ließ die kleine schlafen und wachte neben ihr. Immer wieder schüttelte es mich. Ich schrieb Marisa und rief auch meine Mutter an, dankte allen Ehrenamtlichen, sowie dem Hundefänger für die Unterstützung.
Morgens um 7 war jedoch ein zwingendes Bad für Mori angesagt, denn mittlerweile stank auch die Wohnung fürchterlich, sowie alles, was sie berührt hatte. Ihre letzte Dusche hatte sie zwei Wochen nach ihrer Ankunft gehabt und musste wegen ihrer Panik mit zwei Leuten durchgeführt werden. Ich hoffte sie nicht mehr zu stressen, als es nötig war und setzte sie vorsichtig auf eine Anti-Rutschmatte in die Badewanne. Sie blieb mit einem dankbaren Ausdruck in ihren Augen sitzen, sah mich tiefdruchdringend von unten an und machte keine Anstalten zu fliehen. Ich glaube sie hat es sogar genossen. Ich musste sie sogar mehrmals einshampoonieren, da der Geruch einfach nicht weichen wollte. Danach gab ich auf, das Schlimmste war weg und auch ihr Halsband musste ich entsorgen.
Dass sie nichts gefressen hatte, wurde mir durch ihren kaum vorhanden Kot bestätigt. Es sah einfach nur aus wie drei schwarze Rehknöddel.

Am nächsten Tag wachte ich auf und fühlte mich verschnupft und mein linkes Auge war zugeschwollen. Ich fühlte mich furchtbar. Zum Glück half mir Nadine (eine der Ehrenamtlichen) die Wildkameras wieder abzubauen. Ich war so dankbar für all die Hilfe und konnte mich endlich wieder mehr entspannen.
Nur mein Körper entspannte nicht, sodass ich dann doch zum Arzt musste. Ich wollte Mori jedoch nicht schon wieder direkt alleine lassen und im Auto war es einfach zu heiß. Ich rief also meinen Arzt an und stellte die Frage, die gestellt werden musste: „Darf ich meinen Hund mitbringen?“ Ich erklärte kurz die Umstände und so durfte ich Mori mitnehmen. Schon wieder kamen mir die Tränen.
Es stellte sich heraus, dass die ganze Belegschaft Hundebesitzer waren und sie manchmal sogar mit in die Praxis nehmen. Ich saß mit Mori draußen im Wartebereich und nahm sie dann auch mit in den Behandlungsraum. Es gibt wirklich noch empathische, liebe Menschen auf dieser Welt und das schätze ich so sehr!
Es dauerte noch ein paar Wochen, bis vor allem ich wieder die Alte war. Mori hatte nichts davongetragen, vertrug aber auf einmal ihr Nassfutter nicht mehr, sodass ich sie beim Tierarzt checken ließ. Das war unter anderem auch ein Anstoß für mich, Mori vegan zu ernähren und das klappt seit einem halben Jahr bedenkenlos! Sie liebt das Futter und wer mir auf instagram folgt, der weiß wie fit sie ist und Spaß am Leben und vor allem am Laufen hat.

Unsere Bindung wird spürbar jeden Tag ein bisschen stärker, es ist sehr innig mit ihr, sie sucht immer mehr meine Nähe und ich die ihre. Bei uns geht es nicht um Leckerlis, es geht um so viel mehr.

Mittlerweile flippt sie fast aus, wenn ich mir die Laufsachen anziehe. Sie freut sich einfach über alles was ich mit ihr mache und ist so mutig geworden.

Ich vertraue ihr zu 120 Prozent, dass sie niemals von meiner Seite weicht, genau so wie sie mir vertraut, dass ich ihr jeden Tag aufs Neue ein kleines Abenteuer schenke und sie sich auf mich verlassen kann.

Es ist ein Privileg, was ich eventuell vorher nicht gänzlich zu schätzen gewusst hatte. Mittlerweile ist sie zu 100 Prozent in jedes Lauftraining eingebunden, kann einen 4er Schnitt problemlos halten und stielt uns auch bei 50 Trailkilometern die Show.


Nur einen Monat später sind Marisa, Mori und ich in die Alpen gefahren und haben einen kleinen Laufurlaub gemacht, der uns noch mehr zusammengeschweißt hat.

Es war die beste Entscheidung meines Lebens mutig gewesen zu sein. Wir profitieren voneinander, sie gibt mir Sicherheit und ich ihr. Mittlerweile schläft sie wieder neben mir am Bett, was dazu führt, dass ich meine Panikattacken wieder kontrollieren kann.
Anlässlich zu ihrem 1 jährigen Jubiläum bei mir (24.5.2020), habe ich uns einen DNA Test geschenkt, sowie ein chronologisches Video kreiert, welches ihre Entwicklung bis heute zeigt:
Der DNA Test lief über Feragen.at und lieferte mir sehr interessante Ergebnisse. Unter anderem, dass sie keinen Anteil eines Dackels in sich trägt, jedoch zu 50 Prozent einen Beagle beherbergt. Ein Elternteil muss ein reiner Beagle gewesen sein. Der andere Elternteil ist ein Mischling, bestehend aus 12,5 Prozent Englischem Cocker Spaniel. Danach wird es schwieriger, denn die restlichen Anteile ließen sich nur noch nach Wahrscheinlichkeit bestimmen, sodass es ein Ranking gab:
- Volpino Italiano
- Holländischer Schäferhund
- Miniature Australian Sheperd
- Chiuahua
- Podengo
Wenn man sich mit den Rassen beschäftigt, dann erfährt man vor allem eines: Mori ist zum Laufen geboren! 🙂

Alles Liebe,
– Jamie
Hallo Jamie,
was für eine dramatisch Story, die dich sicher nachhaltig und tiefgehend geprägt hat. In der Tat können Haustiere Seelenverwandte sein oder dazu werden. Zusammenfassung aus den drei Teilen: wirklich filmreife spannende Geschichte. LG, Uwe
Hallo Uwe,
vielen lieben Dank! Manche Erfahrungen möchte man eigentlich nicht machen, aber am Ende bereichern sie dann doch auf eine ganz andere Art und Weise.
Gruß, Jamie