An diesem Tag ereilte mich mein erster Halbmarathon. Ich hatte mehr als nur Respekt vor der Strecke und letzten Endes vor meiner eigenen Courage. Hatte ich tatsächlich ausreichend trainiert? Ich war zuvor zwar schon mal test-weise 20km gelaufen und war sehr darüber erstaunt wie gut das ging.
Die 4 stündige Anreise nach Dresden, die fremde Umgebung und die Nervosität laugten mich aus. Es war bedeckt, kalt und windig und ich konnte mir nicht vorstellen, meine Jacke auszuziehen. Vor lauter Aufregung wurde mir schlecht, aber ich konnte all das nicht mehr ändern.
Pünktlich um 10 Uhr zum Start, riss plötzlich die Wolkendecke auf und es wurde nahezu angenehm sonnig warm. Mein Lauf-Freund und ich reihten uns in unseren Startblock ein, überall war laute Musik und Trommeln zu hören, die Stimmung war gut und die Luft schien wie elektrisiert. Ich kam mir vor wie in einer Startbox auf der Rennbahn -überall Adrenalin und ungeduldig, fast schon scharrende Menschen um mich herum, die nur noch auf das „Go“ warten, um ihre Energie zu entladen. Mir ging es aber kaum anders. Auch ich wollte, dass es endlich losging.
Und dann ging es los. Ich hörte den Startschuss, die Musik wurde lauter, es rasselte und trötete überall und langsam, ganz langsam fingen alle an zu laufen. Es war als würde ein kompletter Weihnachtsmarkt anfangen zu joggen: dicht an dicht versuchte jeder sich irgendwie freizulaufen, aber schneller als 7km/h wurde man mit Sicherheit nicht.
Eine andere Taktik musste her und ich entschied mich dazu im ZickZack zu laufen. Es war ein Wechsel mehrerer kleiner Sprints. Mein Mitläufer war entweder neben oder hinter mir und wir machten richtig Tempo, um aus der Masse herauszukommen. Leider dauerte dieses Unterfangen bis km 8 an, was mehr als energieraubend war. Ich kämpfte mich weiter vorwärts und fand schließlich meinen Rythmus und hatte letztlich auch immer die gleichen Läufer um mich herum, die ein ähnliches Tempo hatten. Bei km 13 hätte ich mich am liebsten in das nächste Gebüsch gelegt – der Start war einfach zu viel des Guten gewesen. Ich holte ein Granulat hervor und hoffte auf Besserung, die dann auch (zumindest etwas) recht bald eintrat.
Einen Kilometer später sah ich die erste Frau am Wegesrand unter einem Baum sitzen. Weiter 2 Kilometer danach als wir die Brücke über die Elbe hochliefen, blieb plötzlich vor mir ein Mann abrupt stehen und setzte sich auf die Kette zwischen zwei Pfeilern. Das wünschte ich mir für mich nicht, obwohl ich doch mittlerweile sehr mit dem Kopfsteinpflaster und der Steigung zu kämpfen hatte. Und dann waren da noch hunderte von Zuschauern und Fußgängern, welche teilweise halb auf die Rennstrecke traten und die ich fast umnietete. Man musste ständig aufpassen niemanden in den Rücken zu rennen, nicht Bordsteine hoch oder herunter zu stolpern, keine Hände oder Ellbogen ab zubekommen oder mit Passanten zusammenzustoßen.
Bei km 16 verlor ich meinen Laufpartner komplett aus den Augen und konzentrierte mich ab da wirklich nur noch auf mich selbst. Ich wollte ankommen und ich wollte unter 2 Stunden laufen. Eigentlich wollte ich mit der runtastic App laufen, aber wegen Ärger mit meinem Handy hatte ich dies nicht zur Verfügung.Also konnte ich nur grob abschätzen wie schnell ich ungefähr war.
Entgegen meines Plans, auf den letzten Kilometern Tempo zu machen, wurde ich tendenziell immer langsamer und pendelte mich zwischen 10 und 11 km/h ein. Faszinierend fand ich die ganzen kostümierten Läufer, teilweise als rennende Bierflaschen oder mein Favorit: Spiderman (wie auf dem ersten Bild zu sehen). Spiderman war aber schon nach 4km klatschnass und sein Anzug 2 Töne dunkler. Ich hätte wirklich nicht tauschen wollen.
Am Rand standen immer wieder Gruppen die auf Trommeln schlugen, unzählige Zuschauer und Angehörige die manchen Läufern Wasserflaschen reichten oder sich einfach nur abklatschten. Im allerletzten Moment in einer Kurve bei km 17 entdeckte ich meinen Mann der sich freute wie sonst was dass er mich endlich auch mal sah und streckte mir seine Hand aus die ich natürlich einschlug, obwohl ich fast mit der laufenden Bierflasche kollidiert wäre.
Es gab wirklich sehr viele Wasserstationen und ich wusste im Vorfeld noch nicht, ob ich unterwegs trinken würde. Als ich mich anfing schwächer und unwohler zu fühlen, steuerte ich eine solche Station an und griff mir im Laufen einen Pappbecher, der sich in den ersten zwei Schritten sofort halb über mich ergoss. Stehen bleiben wollte ich in keinem Fall, also lief ich etwas langsamer und drückte den Becher oben zu einem schmalen Schlitz zusammen. So kann man wirklich relativ gut trinken. Etwa 4 Schlucke waren möglich, dann schmiss ich den Becher wie jeder andere auch einfach hinter mich. Aber generell finde ich nicht dass Trinken während dem Lauf empfehlenswert ist. Das kann auf eine gewisse Art schon belasten und es läuft sich einfach nicht leichter, selbst wenn es nur wenige Schlucke waren. Aber so zur Kurzdusche oder einfach nur zum Mund ausspülen schon eine gute Sache. Man braucht eigentlich erst (wenn überhaupt) nach 60min etwas zu trinken, aber wenn man vorher gut hydriert ist, braucht man während dem HM eigentlich gar nichts.
Km 18 erwies sich als besonders lang. Der Punkt bei mir war erreicht, wo ich mir nur noch wünschte endlich anzukommen. Es war hart und ich musste mich wirklich durchbeißen, um das Tempo überhaupt noch halten zu können. Die Zielgerade war 800m lang und am Rand standen unglaublich viele Menschen die im Dauerjubel waren. Es war einfach nur laut, überall kam unterschiedliche Musik aus allen Richtungen. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, meine Beine bewegten sich automatisch und meine Augen suchten nur das Ziel. Dann sah ich die Zeitanzeige über der Ziellinie und bemerkte dass ich tatsächlich noch unter den 2 Stunden lag. In genau 1:58min lief ich ein und konnte wieder lächeln. Ich war unter dem ersten Drittel. Ich war einfach nur geplättet – es war vorbei, ich hatte es geschafft. Jeder bekam sofort eine Medaille umgehängt.
Ich erschien mir selbst etwas neben der Spur, wusste gar nicht wo ich hin sollte. Mir war leicht schlecht und ich bemerkte wie mein Kreislauf sich bemerkbar machte. Und irgendwie verlor ich leicht die Orientierung, hielt nach Mann und Laufpartner Ausschau, aber Fehlanzeige. Ich begab mich dann also zu unserem ausgemachten Treffpunkt und ließ mich dort auf der Treppe nieder. Plötzlich bekam ich so einen Durst und fragte mich wo die Leute das ganze alkoholfreie Bier in den überdimensionalen Bechern her hatten. Ich war wohl einfach vorbei gelaufen. Als ich glaubte es fast nicht mehr auszuhalten, etwa 10 oder 15min später, waren dann endlich auch die anderen zwei am Treffpunkt angelangt und hatten das Getränk meiner Begierde mit für mich dabei. Ich mag eigentlich kein alkoholfreies Bier, aber in diesem Moment schmeckte ich auch gar nichts, sondern war nur froh Flüssigkeit aufzunehmen. Meine Gesichtsfarbe wechselte von blass zu kalkweiß und ich brauchte eine halbe Stunde ehe ich wieder das Gefühl hatte ein Mensch zu sein.
Mein Mitläufer gestand mir dann, er sei bei km 16 etwas eingebrochen, sodass ich dann einen guten Kilometer Vorsprung zu ihm hatte.
Die Nudelparty ließen wir aus. Zu Hause ging ich sofort duschen und wusste danach nicht, was ich essen sollte. Man könnte sagen ich hatte so einen Hunger, dass ich schon keinen Hunger mehr hatte. War ganz komisch. Habe dann ein Wunderpulver aus der Finishertüte angerührt und anschließend haben wir uns einen Salat liefern lassen.
Zum Glück musste ich nicht mehr selbst Autofahren und konnte es mir auf dem Beifahrersitz bequem machen.
Bereits 2-3 Tage nach dem HM konnte ich schon wieder fast vollständig in mein gewohntes Training einsteigen und nach einer Woche bemerkte ich sogar eine deutliche Leistungssteigerung. Ich hatte keinerlei Verletzungen oder sonstige Folgen davongetragen, worüber ich mehr als nur froh war.
Nach diesem Halbmarathon wusste ich sofort, dass es wieder einen geben würde. Wir wollten den nächsten etwa ein halbes Jahr später antreten (9.3.2014) und bis dahin unsere Zeiten optimieren. Falls wir irgendwann bei 1:30Std ankommen sollten, werden wir uns an den Marathon wagen 🙂
Schöner Bericht aber…
man kann auch schon vorher zum Marathon wechseln ohne eine 01:30:00 Std. beim Halbmarathon zu laufen. 🙂
Diese HM Zeit ist schon ein Burner und ich habe diese Zeit vor vier Jahren erst unterboten.
Marathon geht auch eher.
Ja da hast du wohl recht, das kann man, aber ich bin eher jemand die zu schnell läuft und mehr Spaß daran hat Distanzen in möglichst guter Zeit hinzulegen – deshalb könnte man es eher so formulieren: mein Ziel besteht darin schneller zu werden, um nach diesem Zwischenziel dann das nächste Ziel (Marathon) anzugehen 😉
Ok ich lasse mich überraschen und werde es verfolgen. 🙂
Aber 01:30 Std. ist schon ziemlich schnell. Glaub mir… da musst du dann auch trinken 😉
Warum muss sie dann auch trinken? Umso schneller man im Ziel ist, desto weniger Flüssigkeit braucht man unterwegs. 1h30′ geht auch ohne Trinken und ist ein gutes Ziel!
Da muss ich Markus widersprechen. Ich brauchte bei meinen 1:22 h deutlich was zu trinken. Und das trotz erfrischendem Regen!
Aber wichtiger ist: Der erste große Lauf ist immer etwas besonderes und den hast du toll gemeistert!
ich hoffe nur, dass den Läufern die am Rande sassen nix mehr passiert ist und zumindest Sanitäter in der Nähe waren.