Wenn man erst mal wirklich gezwungen ist, das MTB stehen zu lassen, merkt man so richtig was man verpasst hat. Und vor allem wie sich das auf die Form ausgewirkt hat. Klar ist es schön bei milden Temperaturen und farbenfrohen Blättern durch die Taunus-Wildnis zu laufen. Es ist auch schön, wenn man Radbegleitung hat, welche gleichzeitig als Wasserträger fungiert.
Nicht so schön ist es, wenn man sonntags wellige 10k läuft, das am Montag wiederholt, einen Endsprint einlegt und Krafttraining anschließt und sich dann aus heiterem Himmel entschließt, Dienstag abends an einem Leichtathletik-Training auf der Bahn teilzunehmen. Und keinen Schimmer hat, wie schnell man auf 100 Meter ist, sein sollte und überhaupt will. Dazu die untergründige Information meiner Hüfte, die ich derzeit als etwas maulig beschreiben würde.
Der Tag an sich war einer der bescheidenen in meinem Leben. Emotional total am Boden, den Tränen nahe. Ich hatte zehn Minuten zu Hause, um diese Gefühlslage in einem Taschentuch zu lassen und mir meine Laufschuhe anzuziehen, um wieder aus der Tür zu verschwinden. Es brachte ja nichts. Ich war der festen Überzeugung, dass es an der Zeit war neue Trainingsreize zu setzen. Schneller werden und so.
Wir waren bloß zu fünft. Drei von den Fünf kannte ich bereits. Ich lief in der Dreier-Gruppe, die 3x 8x100m + 2x100m, auf dem Plan hatte. In jedem Block 40 Sekunden Pause zwischen den Sprints. Nach den Blöcken 5-6 Minuten Pause. Warm gelaufen wurde mit kurzen Sprints über 60 Meter. Was ja auch nicht zu meiner normalen Vorgehensweise zählt.
Meine letzten 100m auf einer Bahn auf Zeit lagen gut 9 Jahre zurück, wenn nicht sogar 10. Damals verstand ich den Sinn darin nicht und war eine echte Niete. Nun verstand ich den Sinn, weil es zumindest in meinem Kopf, äußerst zielführen zu sein schien.
Diese ersten und sinnhaften 100 Meter auf der Tartanbahn verliefen gefühlt irgendwie komisch. Schnellkraft? Kennt mein Körper gar nicht. Bis ich überhaupt weg kam vergingen wahrscheinlich schon die meisten Sekunden. Vollspeed (wenn man das überhaupt so nennen kann) erreichte ich gefühlt erst nach 40 Metern. Und nach etwa 70 spürte ich bereits, dass das alles kein Zuckerschlecken werden würde.
Nach dem dritten Mal kam ich zwar besser weg und war auch nach 17-18 Sekunden im „Ziel“, aber auf die Dauer schaffte ich es nicht mehr schneller als 19-20. Die anderen beiden liefen mir vor der Nase weg. Ich fühlte mich, als würde ich auf dem Boden festkleben. Ich kann große Schritte machen ODER viele, schnelle, mittlere. Aber beides? Nicht an diesem Tag.
Nach dem ersten Block kam der Punkt, an dem ich glaubte meine Hüfte sei rechts eingerostet und mein Sitzbein fing an zu pulsieren. Das sah auch der Trainer, empfahl mir sogar schon, auf dem Rasen zu laufen. Nein danke. Das wurde jetzt durchgerockt, ich würde ja am Ende sehen was ich davon hatte. Ich fühlte mich nicht beweglich, nicht geschmeidig. Meine Bemühungen auf dem Vorfuß zu laufen, wurden durch diese Blockierung total erschwert.
Diese Art der Belastung war für mich persönlich sowieso eigenartig. Obwohl wir 1,5 Stunden vor uns hinsprinteten, war ich maximal mäßig geschwitzt. Außer Atem war ich nur am Anfang. Nach einer Stunde hatte ich erst das Gefühl auf Temperatur zu sein, während die anderen schon sichtlich angestrengter wirkten. Nicht dass ich schneller geworden wäre. Wenigstens konditionell war das kein Thema.
Die letzten drei Sprints stieg die dritte im Bunde aus. Dann liefen wir auf dem Rasen aus. Ich merkte meine Oberschenkel rückseitig ziehen. Man prophezeite mir jedoch wahnsinns-Muskelkater in den Waden. Ich glaubte nicht daran.
Am nächsten Morgen war der Schmerz in der Hüfte weg. Dafür fingen die Oberschenkel an besagter Stelle an zu jammern. Und das Jammern wurde bis zum Nachmittag zu einem Brüllen. Aufstehen, hinsetzen, Treppen-steigen: all das war eine Folter. Und dann wurde ich müde und zwar von den Haarspitzen bis in die Fußnägel, als hätte mich eine Dampfwalze überrollt. Der Ruhetag kam wie gerufen. Die Waden blieben still, jedoch spürte ich sogar Schultern und meine Seiten. Ich plante bereits für den kommenden Tag das nächste Training, locker flockig im Studio. Daraus wurde leider nichts, der Muskelkater wurde noch schlimmer, ich kam kaum mehr aus dem Auto. Ich war erschlagen und irgendwie auch richtig schräg drauf. Ich wäre gerne biken gegangen, um mir die Beine locker zu fahren, aber bis das wieder möglich ist, muss ein neues Bremssystem eingebaut werden.
Freitags ab ins Studio und direkt auf das Laufband: aua. Noch immer. Mein Puls knallte nach oben, ich fühlte mich wie in einer Schraubzwinge, jeder Schritt schlug mir rückseitig in die Beine. Fünf Kilometer hielt ich das durch und dann entschied ich, dass es genug war. Bauchtraining und die Hanteln kamen mir auch vor wie Mühlsteine.
Thomas suchte noch am selben Abend hochmotiviert eine schöne 10k-Runde in Kelkheim heraus, die ich am nächsten Morgen laufen sollte/wollte. Wie das meine Beine finden würden wusste ich noch nicht. Wir packten das Bike ins Auto und fuhren einfach mal an den Startpunkt. Mir war kalt, ich war müde und so unmotiviert wie schon lange nicht mehr. Ich startete die Garmin und durfte direkt den ersten Berg hinauflaufen. Die Entschuldigung von Thomas und das stetige: „Geht’s noch..?“, machten die Sache leider auch nicht besser. Flach wurde es nicht mehr. Entweder es ging bergauf oder es ging bergab. Mein Sitzbein hatte währenddessen natürlich auch wieder was zu melden. Landschaftlich war es wirklich eine super Route – so abwechslungsreich wie schon lange nicht mehr. Nach 5km kamen wir an einem Wildgehege vorbei und ich nutzte diese Gelegenheit für eine Pause und Rehe-gucken. Der Muskelkater war erstaunlicherweise beinahe weg.
Meine Pace schwankte bedrohlich zwischen 4:45 und 6:40. Aber was sollte ich schon machen, mit diesen Zuständen hatte ich schließlich nicht gerechnet. Es zählte nur Ankommen. Nach ewigen 56(!!) Minuten war ich dann endlich wieder am Auto. 10,2km und knapp 200 Höhenmeter. Und ich dachte eigentlich noch, dass ich das Ganze eventuell in einen Longrun ausarten lassen könnte. Haha.

Sonntag. Lauf-Tag. Meine Motivation hielt sich noch immer in Grenzen. Der einzige Lichtblick war der geplante Ausflug ins regionale Maislabyrinth am Nachmittag, mit Lisa und Gunnar. Dieses Mal lief ich alleine, fast trotzig und mit leichter Wut im Bauch. Es war schwül. Und ich hatte keinen Spaß. So rein gar nicht. Die Kilometer-Markierungen vom Firmenlauf waren noch immer da und verwirrten mich an diesem Tag irgendwie etwas… Nach 5km setzte ich mich einfach auf eine Bank und starrte über die weiten Felder auf den Horizont. Wie ich keine Lust mehr hatte. Und wie der Schweiß aus jeder Pore tropfte. Wie ich daraus jemals wieder einen richtigen Tempolauf machen sollte? 24 Minuten hatte ich bis dorthin gebraucht. Ab der Brücke würde es mehr oder weniger nur noch leicht bergan gehen. Das wusste ich und hasste es.
Entgegen aller meiner negativen Vermutungen, lief es auf den letzten Kilometern runder als gedacht. Ich war tendenziell sogar leicht schneller und meine Herzfrequenz war niedriger. In 50 Minuten war ich zu Hause, also alles ganz normal und in time. Garmin spuckte mir sogar direkt im Anschluss eine neue VO2max aus: 50.
Manchmal muss man halt einfach durch, durch diese Widrigkeiten. Von nichts kommt nichts, dummer Spruch, der aber leider sehr wahr ist. Wenn ich auf weiter Flur mal wieder auf sub 45min auf 10k kommen möchte, muss ich halt wieder mehr und härter laufen. Der Schongang der ewigen Dauerläufe ist vorbei, so wie es aussieht 😀
— Jamie
Absolut! Manchmal nicht ganz so genau auf den Körper hören und einige Zeit nur Vollgas oder Höchstbelastung schadet ihm nicht. Wenn man es dann auch wieder ruhig angehen lässt und dem Körper die Zeit lässt!
Richtig – nur habe ich Ewigkeiten gebraucht, um das zu kapieren und richtig für mich einzusetzen. Ich bin oft zu lange zu hart gelaufen. Ich orientiere mich derzeit weniger an Kilometern, sondern wieder mehr am eigentlichen Gefühl der Anstrengung und der Beschaffenheit der Distanz. Ich kann auch besser mal Fünf gerade sein lassen, was mich Schmerz und Verletzungen gelehrt haben. Letzten Endes muss jeder seinen eigenen Weg finden, der einen nach vorne bringt. Spätestens nächste Woche kann ich wieder biken und hätte dann wieder eine Woche in der ich lauftechnisch etwas regenerieren kann und dann schauen wir mal 🙂